Zeugnistag

 Ein paar Anmerkungen zur Notenvergabe




 Lesezeit ca. 10 Minuten 

Wir sind fast schon am Ende des Schuljahres angelangt. Unsere Kinder haben ihre Noten mit den Lehrer:innen besprochen und wie am Ende eines jeden Halbjahres wird es dabei glückliche und auch enttäuschte Gesichter gegeben haben. Für manche sind diese Zeugnisse besonders wichtig, z.B. wenn es um Abschlüsse oder den Verbleib am Gymnasium geht. Da wird manch einer ins Grübeln kommen und sich fragen, ob die eine oder andere Note wirklich gerecht(fertigt) ist.

Bevor ihr euch an die jeweiligen Lehrkräfte wendet, möchte ich euch mit ein paar Fakten und Überlegungen zur Vergabe der Noten helfen, eure Einschätzung zu prüfen. Neben ein paar Basics, die man wissen sollte, wird es darum gehen, die formalen Fragen von den Gefühlen zu trennen, die die Noten auslösen. Das ist nicht so ganz leicht, wird euch aber helfen, gelassen den Kontakt zu suchen und eure Chancen auf eine Klärung verbessern.
Bitte denkt daran, dass in diesem ziemlich unberechenbaren Halbjahr mit all den durch die Pandemie notwendig gewesenen plötzlichen Veränderungen des Schulalltags ein paar besondere Aspekte zu beachten sind. Die Schulbehörde hat dafür einen Rahmen als Orientierung gegeben, über den Eltern von der Schulleitung informiert werden. Die wichtigsten Punkte werden hier weiter unten in Erinnerung rufen.

Noten - grundlegende Infos

Wer von euch kann genau sagen, was z.B. die Note 3 bedeutet? Eben! Schauen wir genauer hin. Nach der Hamburger Ausbildungs- und Prüfungsordnung gelten folgende Notenstufen:
  • sehr gut (1) - die Leistungen entsprechen den Anforderungen in besonderem Maß,
  • gut (2) - die Leistungen entsprechen voll den Anforderungen,
  • befriedigend (3) - die Leistungen entsprechen im Allgemeinen den Anforderungen,
  • ausreichend (4) - die Leistungen weisen zwar Mängel auf, entsprechen aber im Ganzen noch den Anforderungen,
  • mangelhaft (5) - die Leistungen entsprechen nicht den Anforderungen, lassen jedoch erkennen, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden könnten,
  • ungenügend (6) - die Leistungen entsprechen nicht den Anforderungen und selbst die Grundkenntnisse sind so lückenhaft, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden könnten.

Das ist die bundesweit gültige Grundlage der Notengebung.



Wie werden Leistungen bewertet?

An derselben Stelle wird erklärt, was denn eigentlich bewertet wird: ‘Gegenstand der Leistungsbewertung sind die schriftlichen, mündlichen und praktischen Einzelleistungen unter Berücksichtigung ihrer Anteile an der Gesamtleistung. Die Anforderungen und die Anforderungsebenen, auf die sich die Leistungsbewertung bezieht, ergeben sich aus den Bildungsplänen.’

Also das, was eure Kinder im Unterricht sagen (mündliche Beteiligung, Referate, Kurzvorträge...), was sie tun (musizieren, sportliche Leistungen, Versuche durchführen, Theater spielen…) und schriftliche Belege wie Hausaufgaben, Berichte, Klassenarbeiten oder Präsentationen werden bewertet.

Was in den einzelnen Fächern dazu gehört, können euch die Lehrer:innen sagen. Für jedes Fach werden an der Schule Kriterien für die Leistungsbewertung festgelegt. Diese zu kennen, ist eines der Rechte von Eltern und Schüler:innen. Normalerweise sollen diese Kriterien zu Beginn des Schuljahres vorgestellt werden. Falls das nicht so war, fragt gerne bei den Klassenleitungen nach! Es ist wichtig zu wissen, welche Leistung erwartet wird, damit die Notenvergabe transparent verläuft und für euch nachvollziehbar ist. Im normalen Unterrichtsalltag sollten eure Kinder diese Informationen immer wieder bezogen auf konkrete Aufgabenstellungen gehört haben. In Klassenarbeiten steht z.B. neben den Aufgaben, wie viele Punkte dafür vergeben werden.

Im jeweiligen Fachunterricht werden gegen Ende des Halbjahres die Noten besprochen. Dies ist für Schüler:innen eine gute Gelegenheit, erste Fragen zur Notenvergabe zu stellen. Nicht nur an dieser Stelle können sich auch Lehrer:innen Feedback über ihren Unterricht einholen. Rückmeldungen der Schüler:innen geben wichtige Hinweise zu Inhalten, Anforderungen und Problemen im Unterricht - dies kann für eine gemeinsame Gestaltung der zukünftigen Lernsituation genutzt werden. Ebenso kann eine Einschätzung der vergebenen Noten durch die Schüler:innen eingeholt werden. Solche Feedback-Prozesse sollten stetig eingeübt werden und das Lernen der Schüler:innen und zugleich das Unterrichten der Lehrer:innen kontinuierlich begleiten.

Die Kriterien der Leistungsbewertung sind auch sehr hilfreich, wenn ihr danach fragt, wie eine Note zustande gekommen ist. Was genau wurde bewertet, wie wurde es gewichtet? Diese Sachebene solltet ihr zunächst mit den Lehrer:innen besprechen, wenn Ihr den Eindruck habt, die Note passe nicht so ganz zu den Erwartungen eures Kindes. Vieles klärt sich schon beim gemeinsamen Blick auf die Fakten.
Es gibt noch weitere Regeln, die bei der Notenvergabe zu beachten sind. Eventuell war ein Kind lange krank und konnte keine Leistungsnachweise erbringen. Oder ein Kind genießt ‘Notenschutz’. Fragt einfach bei Zweifeln nach, welche Regelungen zur Anwendung kamen! Bedenkt aber bitte auch, dass es einen gewissen Spielraum bei der Vergabe von Noten gibt. Nicht jede Leistung kann exakt vermessen werden. Mit diesem Spielraum müssen wir uns arrangieren. Das ist ja nicht nur in der Schule, sondern im ganzes Leben so.
 

Erst Gefühle bearbeiten, dann miteinander reden

Manchmal erwischt es einen kalt: Da dachte man, die Note steht, und dann ist sie schlechter als angenommen. Das eigene Kind ist traurig und wütend. Die Wut im Bauch ist kein guter Ratgeber! Im ersten Affekt spät abends beim Lehrer anzurufen, ist auch keine gute Idee. Sucht euch lieber einen vertrauten Menschen und redet euch den Ärger von der Seele. Dann: Fakten sortieren (siehe oben). Und vor allem: überlegen, was man will. Wenn man sich für ein Nachfragen entscheidet, hilft es, zuvor eigene Argumente zu sammeln, warum man denn die Note für nicht gerecht hält. Und es hilft, erst wirklich zu fragen und zuzuhören.

Wir Eltern tun uns und vor allem unseren Kindern einen großen Gefallen, wenn wir zunächst darüber nachdenken, was von der Note tatsächlich abhängt. Am Ende von Klasse 6 kann es entscheidend sein, umsichtig in einer solchen Situation für sein Kind einzutreten. In Klasse 8 sieht man manches eventuell gelassener, denkt an die Auswirkungen der Pubertät und lehnt sich abwartend zurück. Ihr solltet euren Kindern auch nicht zu viel abnehmen! Wenn es um kleinere Punkte geht, ermutigt sie bitte, selber direkt mit ihren Lehrer:innen zu reden! So erwerben sie die Fähigkeit, für sich einzutreten. Wenn sie lernen, mit ihrer Unsicherheit dabei umzugehen, nehmen sie viel für ihren Lebensweg mit! Bei zögerlichen Kindern kann es übrigens helfen, vorher im Rollenspiel zu proben, was sie sagen wollen. Das macht Spaß und gibt die nötige Sicherheit!


Vertrauensfragen

Manchmal können Eltern und Lehrer:innen einfach nicht miteinander. Dann fällt es schwer, strittige Noten anzusprechen. Ihr dürft dann andere Ansprechpartner:innen wählen! Das kann die Beratungslehrkraft der Schule sein, ein anderer Lehrer der Klasse oder die zuständige Abteilungsleitung. Vielleicht können Eure Elternvertreter:innen Euch bei der Suche unterstützen? Sie haben oft mehr Kontakt zu den Lehrkräften und spüren, bei wem Ihr gut aufgehoben seid. In ernsteren Fällen suchen wir im Elternrat gerne gemeinsam mit Euch nach den richtigen Ansprechpartner:innen. Wenn alles nichts hilft, braucht Ihr eventuell unabhängige, kompetente Ansprechpartner:innen. Dafür hat die Stadt Hamburg die sogenannten Ombudsstellen eingerichtet. Ich habe damit bisher sehr gute Erfahrungen gemacht und raten gerne dazu, diese anzusprechen.


Noten unter Corona

Seit Mitte März leben wir mit sich ständig ändernden Vorgaben. Das trifft auch auf die Leistungserbringung zu. An manchen Stellen war unklar, ab wann die Arbeitsaufträge des Fernunterrichts verpflichtend abzugeben waren. Manche Kinder hatten keine Geräte daheim, es fehlte vielleicht die Internetverbindung. Oder es musste auf jüngere Geschwister aufgepasst werden, es gab keine Ruhe zum Arbeiten, Eltern konnten nicht beim Lernen helfen, der Kontakt zur Schule war zu selten, niemand da, der motivieren konnte...
Die Lehrer:innen sollen in diesem Jahr die besonderen Umstände, unter denen die Kinder jeweils gelernt haben, berücksichtigen und maßvoll Noten festlegen. Auch hierfür kann es keine genauen Vorgaben geben. Umso wichtiger ist es, miteinander zu reden, wenn Ihr den Eindruck habt, es wurde nicht berücksichtigt, wie schwer es Euer Kind in den Corona-Wochen hatte.
Für die meisten Schüler:innen werden ausreichend Leistungsnachweise vorliegen, so dass die Notenvergabe gut möglich ist. Einige Schüler:innen, von denen zu wenige Nachweise vorliegen, erhalten die Möglichkeit, in zusätzlichen Überprüfungen ihre Kenntnisse zu zeigen. Wenn ihr unsicher seid, fragt bitte auch hier nach den aktuellen Regelungen - sie liegen sowohl in der Schule wie auch im Elternrat vor.

Ich wünsche euch, dass die Notenvergabe fair und nachvollziehbar verläuft. Sollte es Fragen geben, legt euren Ärger beiseite, bereitet euch gut vor und geht offen ins Gespräch. Auch für die Lehrer:innen waren die vergangenen Wochen anstrengend; eine vermeintliche Ungerechtigkeit ist eventuell ein Versehen, das aus Überlastung heraus geschah. In den wenigen Fällen, in denen es eng wird, sind sowohl die Abteilungsleitungen, die Schulleitung wie auch eure Elternvertreter:innen bzw. der Elternrat für euch da - gemeinsam finden ihr Lösungen!

Kommentare

Beliebte Beiträge: