Arbeitsplatz Schüler:in

Gefährdungsbeurteilung in die Schulen!

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Zur Zeit sind sie in aller Munde: die psychischen Folgen der Corona-Pandemie für Schüler:innen. Welche Ansätze gibt es, diese Belastungen aufzufangen? Welche Blickrichtungen fehlen noch in der Debatte? Wie wird das Thema an den Schulen aufgegriffen?

Vor kurzem sprach ich lange mit Schüler:innen des Abiturjahrgangs eines Hamburger Gymnasiums. Sie machten sich Gedanken über Mitschüler:innen, denen es erkennbar momentan nicht gut geht. Nachdenkliche, mitfühlende junge Menschen, die gerne mehr über psychische Erkrankungen wüssten. Was sind erste Warnsignale? Wo lässt sich Hilfe finden? Vor allem aber: Wie können wir jenseits von Vorurteilen gut mit der Situation umgehen?

 

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§ 2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule
(...) Es ist Aufgabe der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen und ihre Bereitschaft zu stärken, (...) das eigene körperliche und seelische Wohlbefinden ebenso wie das der Mitmenschen wahren zu können (...).  Hamburger Schulgesetz

Die jungen Erwachsenen trugen ihr Anliegen der Abteilungsleiterin für die Studienstufe vor. Ihre Idee war, selber ein Gesprächsangebot mit geeigneten Ansprechpartner:innen zu organisieren, in dem diese die Fragen der Schüler:innen zu psychischen Erkrankungen mit fachlicher Expertise aufgreifen. Parallel dazu holte die Elternvertretung des Jahrgangs Informationen über unterstützende Angebote des Referates Gesundheit des Landesinstituts der Schulbehörde (LI) ein und setzte sich bei der Schulleitung für das Aufgreifen der Schüler:innen-Wünsche ein. 

Die Schule band die Beratungslehrerin ein, griff allerdings die sinnvollen Hinweise zur Gestaltung des Informationsangebots vom LI nicht auf. Man habe ausreichend Expertise im eigenen Haus. Aus Sicht der Elternvertretung, mit der ich auch sprechen konnte, ist das nicht unbedingt der Fall. Hamburger Beratungslehrkräfte erhalten im Rahmen ihrer zweijährigen, berufsbegleitenden Ausbildung zwar einen Überblick über psychische Erkrankungen - ob die Kenntnis der Definitionen allerdings ausreicht, um ein tieferes Verständnis für Menschen zu entwickeln, die eine seelische Krise durchmachen? 

 

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Die Abteilungsleiterin führte eine Online-Befragung unter den Schüler:innen durch, in deren Folge ein freiwilliger Workshop zum Umgang mit Stress und zu Methoden des Zeitmanagements angeboten wurde. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren durchaus positiv. Allerdings blieben die ursprüngliche Fragestellung und der Wunsch der Schüler:innen, das Gesprächsangebot selbstbestimmt zu gestalten, unbeachtet. Die aus Sicht der Jugendlichen für sie wichtigen Einblicke in psychische Erkrankungen wurden nicht vermittelt. So stand neben dem Angebot der Schule einiges an Resignation darüber, nicht wirklich auf Augenhöhe eingebunden worden zu sein. Das Gespür der Schüler:innen für sich und die eigenen inneren Fragen erfuhr wenig Wertschätzung.

Bei mir als langjähriger Beraterin im schulischen Kontext blieb ein flaues Gefühl im Magen, dem ich nachging. Was löste die negativen Emotionen aus? Zum einen blieben die Informationsbedürfnisse der jungen Menschen unbeantwortet. Es sind ja nicht nur die Kinder und Jugendlichen, unter denen etwa fünfzehn bis aktuell etwa zwanzig Prozent im Laufe des Jahres seelische Belastungen erleben, derselbe Prozentanteil kann durch alle Altersstufen beobachtet werden. Insbesondere unter Lehrkräften steigt der Anteil derer, denen es ebenso geht, rasch an. Auch da: dringender, bislang wenig beantworteter Informationsbedarf! Wie wirkt sich das im Schulalltag aus?

 

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Die Elternvertreter:innen der Schule berichteten von drei im Abiturjahrgang unterrichtenden Lehrkräften mit seelischen Problemen. Die Auswirkungen: häufige Fehlzeiten, die zusätzlich zu Quarantänezeiten und pandemie-bedingt schlechteren Lernbedingungen die Schüler:innen belasten; dazu ein unwirsches, häufiges Abreagieren der Lehrer:innen an den Schüler:innen. Unpädagogisch und den eigenen Stress an die Lerngruppe weitergebend. Die Lernbegleitung entfiel in diesen Fächern fast ganz, für die allein bearbeiteten Arbeitsaufträge fühlte sich an der Schule niemand so richtig zuständig. Rückmeldungen an die Schüler:innen zu ihren abgegebenen Aufgaben gab es kaum. Das trifft Schüler:innen ohne ausreichende familiäre Unterstützung, auf die die Copsy-Studie des UKE als Risikogruppe hinweist, besonders. 

Die lapidare Antwort der zuständigen Abteilungsleiterin war, dass die vertretenden Lehrer:innen das nicht leisten könnten, da habe man eine "Verantwortungslücke". Das mag so sein, aber wer trägt die Last dieser Lücke? Genau. Die Schüler:innen. Da kommt mein ungutes Gefühl her: Die Schulleitung ist in der Verantwortung für eine "ordnungsgemäße Durchführung der Unterrichtsarbeit" - genügt ein resigniertes Schulterzucken als Antwort auf fehlende Lernbegleitung, auf fehlende Unterrichtsqualität? Genügt es, den Schüler:innen beizubringen, wie sie mit solchem Stress "besser" umgehen können? 


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Nein, das tut es nicht. Vielmehr sollte man sich in so einer Situation gemeinsam an einen Tisch setzen und nach pragmatischen Lösungen suchen. Kleine Schritte und Hilfen sind auch unter Corona-Bedingungen möglich. Was man den Schüler:innen stattdessen beibringt, ist einer der Motoren von Burnout: den Stress, den andere erzeugen, abfangen, die eigenen Bedürfnisse hinter denen anderer zurückstellen, mehr "an sich arbeiten" und noch mehr Kraft aufbringen, um mithalten zu können. In der Psychologie nennt man das "Work Craving" - das ist die ungesunde Grundhaltung von Workaholics. Sich noch mehr anstrengen, statt den Kopf zu heben und darüber nachzudenken, wie das Wohlbefinden aller im Blick behalten werden kann.

Die Stufensprecher:innen und Elternvertreter:innen hatten den Mut, mit der zuständigen Abteilungsleiterin über die Belastung durch die Lehrkräfte zu reden. Ihnen war wichtig, beides im Auge zu behalten: die Menschen hinter der Lehrer:innenrolle UND das Wohlbefinden der Schüler:innen. Tatsächlich gelang es, die zunächst erkennbaren Hürden zu überwinden und sich gegenseitig zuzuhören. Der Schulleitung waren die vorhandenen Belastungen der Lehrkräfte bekannt, "man begleite vorsichtig". Eher zurückhaltender waren die Aussagen darüber, wie die Schulleitung die Schüler:innen vor dem ungünstigen, stress-erzeugenden Verhalten schützen werde. Man wies nochmals auf die schulischen Beratungsangebote hin und sensibilisierte die Tutor:innen intern für das Thema. 

 

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Die Elternvertreter:innen hatten am nachfolgenden Elternabend allerdings den Eindruck, dass diese eher bagatellisierten oder dem Thema auswichen. 

"Ach, in jedem Jahrgang haben wir Schüler:innen, die durchhängen und es nicht schaffen. Das Abitur ist eben eine harte Zeit, das packt nicht jeder. Da spielt Corona gar keine Rolle, da ist kein Unterschied erkennbar."

Was, wenn diese Schüler:innen zu denen gehören, die eigentlich Unterstützung gebraucht hätten? Die über Jahre übersehen wurden? Für die niemand da war? Psychische Probleme oder psychische Erkrankungen sind in vielen Fällen still und unsichtbar für das Umfeld. Etliche hängen mit Prozessen der inneren Entfremdung zusammen; die davon Betroffenen orientieren sich stark an den Erwartungen des Umfelds und "funktionieren" lange bevor sie wegbrechen.  Das Umfeld ist davon zunächst angetan und bestärkt häufig die ungünstige innere Entwicklung unwissend.

Das Thema steckt noch mitten im Tabu, dabei bräuchte es einen offenen Umgang damit an den Schulen im Rahmen einer vertrauensvollen Erziehungspartnerschaft. Die aktuellen Erkenntnisse der Erziehungswissenschaften zu den Zusammenhängen zwischen der Gesundheit von Lehrer:innen und Schüler:innen sind deutlich: Belastete Lehrer:innen, erkennbar an den berufsbezogenen Stress-Verarbeitungsmustern A und B des AVEM - ein anerkanntes persönlichkeitsdiagnostisches Verfahren - haben sichtbar negativen Einfluss auf Wohlbefinden, Motivation und Lernleistung ihrer Schüler:innen. Zahlen liefern die Studien von Uwe Schaarschmidt und anderen; etwa sechzig Prozent der Lehrkräfte weisen eines dieser ungünstigen Muster auf. 


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Das ist ein deutlicher Belastungsfaktor für die Kinder und Jugendlichen! Schule nimmt mittlerweile genauso viel Raum in ihrem Leben ein wie der Beruf bei den Erwachsenen. Mit großer Selbstverständlichkeit erwartet man von ihnen, dass sie bei Nichterreichen von vorgegebenen Leistungszielen "Lernferien" machen. Das Kinderrecht auf Erholung und Freizeit wird nicht ausreichend beachtet. Wurden die Kinder gefragt, was ihnen gut täte? Auch das ein Kinderrecht: zu den eigenen Belangen gehört zu werden. Würden sie offen und ehrlich antworten? Oder "sozial erwünschte" Antworten geben? 

Seit Jahren erlebe ich, wie selbstverständlich Lehrkräfte davon ausgehen, dass Kinder und Jugendliche "dann eben" am Wochenende oder in den Ferien an Vorträgen oder Projekten arbeiten bzw. "Stoff" nachholen. Oder am Sonntagabend um 21 Uhr einen Arbeitsauftrag senden, was bis Montag mitzubringen sei...

 

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Von daher wird es, wenn wir als Eltern und Lehrer:innen über Unterstützung für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche reden, notwendig, über unser Verhalten nachzudenken. Welchen Rahmen setzen wir? Welche Belastungen rufen wir hervor? Übernehmen wir dafür die Verantwortung oder stehlen wir uns durch die Hintertür davon? Hören wir wirklich ernsthaft zu, wenn die jungen Menschen etwas mitteilen möchten? Ehrlich? Ich glaube, dass wir das längst noch nicht ausreichend tun.

Was wäre wichtig zu beachten? Für die Arbeitsplätze Erwachsener ist eine Gefährdungsbeurteilung möglicher Belastungsfaktoren anerkannter Bestandteil des Arbeitsschutzes. Es wird Zeit, dies auch für den "Arbeitsplatz" von Kindern und Jugendlichen verbindlich einzuführen. Die "Leitlinie Gefährdungsbeurteilung" enthält folgende psychische Faktoren, die auch für den Unterricht relevant sind:

  • ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe (z.B. überwiegende Routineaufgaben, Über- / Unterforderung) 
  • ungenügend gestaltete Arbeitsorganisation (z.B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wechselnde und /oder lange Arbeitszeiten, kein durchdachter Arbeitsablauf) 
  • ungenügend gestaltete soziale Bedingungen (z.B. fehlende soziale Kontakte, ungünstiges Führungsverhalten, Konflikte)
  • ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen (z.B. Lärm, Klima, räumliche Enge, unzureichende Softwaregestaltung)

 

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Die Faktoren wirken sich auch bei Heranwachsenden negativ aus; ergänzen müsste man sie um eine klare Benennung verletzender, destruktiver Verhaltensweisen von Lehrkräften, wie sie zum Beispiel die angesehene Erziehungswissenschaftlerin Annedore Prengel zusammengestellt hat. Sie fordert seit langem eine "Kunstfehlerlehre" für den Lehrer:innenberuf und hat, wie zuvor schon Volker Krumm und andere, in Studien gezeigt, wie negativ sich diese Verhaltensweisen auswirken. Ein zentrales Ergebnis ihrer Forschung sind zwölf typische Muster pädagogischen Fehlverhaltens, die in jeder vierten Interaktion von Lehrkräften mit Schüler:innen vorkommen:

  • Zuschreibung unerwünschter Eigenschaften/Vorurteile
  • Bloßstellen, Vorwürfe vor der Klasse
  • Ausgrenzung
  • Einschüchterungen, Demotivierungen
  • Körperverletzungen und Zwangsausübungen
  • Schreien, Beschimpfen, Schimpfworte, Beleidigen
  • Lächerlich machen oder Beschämen
  • Ignorieren, Missachten
  • Ungerechtes/unfaires Verhalten
  • Verletzung von Rechten
  • Weitergabe von Informationen
  • Unterstellung von Fehlhandlungen oder Straftaten

Im Gegensatz zu Erwachsenen, von denen man annehmen kann, dass sie sich überwiegend gegen unpassende, krank machende Arbeitsbedingungen wehren könnten, sind Kinder und Jugendliche grundsätzlich in der Schule, an ihrem "Arbeitsplatz", von den Erwachsenen abhängig. Wir müssen ihnen signalisieren, welches Verhalten von Lehrer:innen nicht in Ordnung ist. Wir müssen da sein, um ihnen zuzuhören. Wir müssen das belastende Verhalten thematisieren und den Heranwachsenden beibringen, wie sie für ihr seelisches Wohlbefinden sorgen können. Bis es ihnen selber gelingt, ihre Grenzen zu wahren, ist es an uns, dafür einzustehen und korrigierend einzugreifen.

 

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Das ist keine leichte Aufgabe, gerade an Schulen nicht, an denen die meisten Schulleitungen die psychisch erkrankten Kolleg:innen durch den Mantel des Schweigens schützen. Dieser Schutz der Privatsphäre der Lehrer:innen, der Menschen, denen es nicht gut geht, ist notwendig um Diskriminierung zu vermeiden - er darf nur nicht zu Lasten der Schüler:innen gehen. Werden Schüler:innen, denen es ebenfalls nicht gut geht, mit derselben Rücksichtnahme behandelt?

Das Wohlergehen der Lehrer:innen und das der Schüler:innen stehen in einer Wechselwirkung; eine gute Schulgemeinschaft gibt allen Rückhalt, die ihn benötigen. Wir Erwachsenen sollten dabei an ein weiteres Kinderrecht denken: "Das Wohl der Kinder ist vorrangig zu beachten." Wie lassen sich das Wohlbefinden der Schüler:innen UND der Lehrer:innen gleichzeitig beachten?

Die Schulbehörde in Hamburg bringt ein umfangreiches Paket zur Unterstützung von Heranwachsenden auf den Weg: "Mit einem Förderpaket von 34 Millionen Euro will Hamburg die Lernrückstände und die psychischen Probleme von Kindern und Jugendlichen überwinden, die durch die Schulschließungen entstanden sind. Mit rund 26 Millionen Euro sollen zusätzliche Förderkurse für Schülerinnen und Schüler am Nachmittag sowie Lernangebote in den Ferien finanziert werden. Weitere mindestens acht Millionen Euro werden für zusätzliche Beratungs- und Unterstützungsangebote für Schülerinnen und Schüler mit sozialen und psychischen Problemen bereitgestellt."

 

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In der Liste der Maßnahmen ist viel Sinnvolles, doch der Fokus liegt klar auf dem Füllen der "Lernlücken", weniger auf dem Bestärken der seelischen Gesundheit. Beides sollte stärker ineinandergreifen und miteinander verbunden werden: Kinder und Jugendliche brauchen vor allem tragfähige Beziehungen, in denen sie Ermutigung und Akzeptanz erfahren, um sich gut entwickeln und gut lernen zu können. Genau das ist zur Zeit Mangelware. 

Belastete Lehrkräfte und gestresste Eltern verlieren in Teilen diese Beziehungsfähigkeit - und Heranwachsende haben damit weniger Gelegenheit, in guten Beziehungen die für das Lernen notwendigen Selbstkompetenzen von Erwachsenen zu erwerben, die diese Kompetenzen vorleben. Sich selbst zu motivieren oder angesichts von Schwierigkeiten wieder zu fangen, lernt man dadurch, dass andere einen aufbauen oder trösten. Wie machen wir Erwachsenen das unter Pandemie-Bedingungen möglich?

 

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Als Beraterin weiß ich: Noch so gute Beratung bringt nicht unbedingt die Menschen mit, die das tun, was gebraucht wird. Mir ist der Ansatz der Schulbehörde zu sehr auf ein "Reparieren" der Schüler:innen losgelöst von dem Einfluss der Lehrer:innen ausgerichtet. 

So als hätte das Verhalten der Lehrkräfte keine oder nur positive Auswirkungen. Wir wissen alle, dass das nicht so ist. Auch Lehrer:innen brauchen deutlich mehr Aufmerksamkeit von der Gesellschaft für ihr Wohlbefinden, ihr seelisches Gleichgewicht, um in ihrem Beruf angemessen und offen auf die Schüler:innen eingehen zu können.

 

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Nicht alle Lehrkräfte starten mit all den Selbstkompetenzen in ihren Beruf, die sie benötigen. In Krisensituationen wird das sichtbar - und bietet eine gute Gelegenheit, jetzt darüber nachzudenken, welche Kompetenzen gezielt aufgebaut werden können. Es macht wenig Sinn, einseitig Schüler:innen zu beraten, wenn die vorhandenen Belastungsfaktoren im Schulsystem, im Klassenraum ignoriert werden. Beides parallel zu tun, Unterstützung anzubieten UND ungünstige Verhaltensweisen bzw. Strukturen an Schulen zu verändern, macht dagegen Sinn. 

Bereits vor der Pandemie wurde an Hamburger Schulen nicht alles, was die Schulbehörde empfiehlt und unterstützt oder das Schulgesetz als Recht von Schüler:innen benennt, umgesetzt. Der Nachteilsausgleich ist ein Beispiel dafür, die Begabungsförderung ein anderes. Beides wird an etlichen Schulen nur halbherzig umgesetzt - die dadurch fehlenden passgenauen Lernangebote erzeugen Stress. Unter Corona-Bedingungen fielen diese Angebote dann zumeist als erstes weg. Es fehlen an den Schulen die Brückenbauer, die die Lücke zwischen Erwartung und Alltagsgeschäft schließen, sowie die Kümmerer, die notwendige Angebote nachhaltig auf den Weg bringen.

Lernen wir, über all diese Fragen offener zu reden. Lernen wir, unser Bild von Schule so zu verändern, dass Kinder und Jugendliche Schule als Lebensraum wieder gerne und neugierig aufsuchen. Lernen wir, die großen und kleinen Menschen wieder mehr im Blick zu haben als Noten oder Abschlüsse.

 

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Die Kinder und Jugendlichen werden hinsichtlich ihrer Leistungsentwicklung in Hamburg stark vermessen. Die Strukturen, um genauer hinsehen zu können, sind vorhanden. Damit die Millionen, die die Schulbehörde nun mit anerkennenswerter Absicht in die Hand nimmt, sinnvoll eingesetzt werden, muss zuvor genau hingesehen werden. Wenn das Ziel ist, das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen zu bestärken, dann sollten wir sie zuerst fragen, was sie sich von den Lehrer:innen wünschen, was ihnen im Schulalltag fehlt, wonach sie Sehnsucht haben, was sie belastet. Dabei sollten wir uns auf ehrliche, eventuell unbequeme Antworten einlassen können.

Ein Großteil der Bundesländer erhebt im Rahmen des Präventionsradars Daten über die Gesundheit von Schüler:innen. Hamburg bislang nicht. Dieses Puzzleteil fehlt und sollte zügig auf den Weg gebracht werden. Es ist wichtig, dies nicht den Schulen zu überlassen - die Einführung von Schülerfeedback erfolgte dort bisher nur zögerlich; viele Lehrer:innen tun sich nach wie vor schwer damit, authentische Rückmeldungen zu ihrem Handeln an sich heranzulassen. Da gilt es, einen Wandel in der Haltung ebenso wie in der Umsetzung auf den Weg zu bringen.

Macht den Kindern und Jugendlichen Mut, sich zu ihrer Lebenssituation zu Wort zu melden! Sie werden das bereitwillig tun, wenn sie erleben, dass ihre Aussagen eine Wirkung haben. Wirkung heißt in diesem Zusammenhang: Dass wir, die Erwachsenen, sie ernst nehmen, mit gutem Vorbild voran gehen und unser Verhalten dort ändern, wo es für die uns Anvertrauten zur Last wird.

 

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