Post von der Schulaufsicht

 

Bild von CDD20 auf Pixabay

Nebel greifen ist einfacher!

   Lesezeit ca. 10 Minuten   

 

Ich fürchte, irgendwann wird mein Kopf abfallen - so stark ist der Impuls zum Kopfschütteln beim Lesen der Antwort des zuständigen Schulaufsichtsbeamten auf eine Gegenvorstellung zu einer Antwort auf eine Beschwerde gegen den Beschluss der Schulkonferenz eines Hamburger Gymnasiums zur Anhörung vor der Zeugniskonferenz gemäß § 62 (3) Hamburger Schulgesetz. 

Wer noch atmen kann, findet die Vorgeschichte hier.

Die Kurzfassung: Die Schulkonferenz hatte festgelegt, dass die Notenspiegel spätestens am Tag vor der Zeugniskonferenz der Elternvertretung und der Schülervertretung der Klassen bzw. Stufen zur Verfügung gestellt werden, damit diese sich damit auf die Anhörung vor der Zeugniskonferenz vorbereiten können. Gleichzeitig stand eine Aussage der Schulbehörde im Raum, dass diesen dafür eine 'angemessene' Frist zugestanden werden müsse - etwa 1-2 Wochen wurden als offener Rahmen gesetzt.

Wir hatten 22 Stunden. Abzüglich Nachtruhe. (Obwohl - Eltern müssen doch nicht schlafen, oder?! Wir sind doch jederzeit im Dienst der Schule...)

 

Bild von CDD20 auf Pixabay

Wenige Stunden also, um aus den Tabellen, die die Übersichten der Tutandengruppen enthielten, die Notentabellen der Fächer in mühsamer Kleinarbeit zusammenzustellen. Ganz vollständig war die Übersicht dann nicht - für eine Tutandengruppe erhielten wir aus 'Datenschutzgründen' keine Informationen. Die Gruppe sei zu klein, da könne man zu viele Rückschlüsse ziehen. Also weiter mit unvollständigen Daten.

Schon ahnend, dass wir nur den Abend vor der Zeugniskonferenz für ein Gespräch unter Eltern- und Schülervertretung ansetzen könnten, fand immerhin ein Drittel davon zusammen. Die anderen hatten nicht verschiebbare Verpflichtungen. Alternativen standen ja in Folge der späten Zusendung nicht zur Verfügung. 

 

Bild von CDD20 auf Pixabay

In der Antwort auf meine Beschwerde über diese zu kurze Vorbereitungszeit hieß es von Seiten des Schulaufsichtsbeamten:

Rechtzeitig ist eine Information, wenn den Klassenelternvertreter*innen unter Berücksichtigung objektiver Maßstäbe hinreichend Gelegenheit zur Auswertung der Informationen vor der Beschlussfassung über die Zeugnisse gegeben würde.

In dieser Antwort wies er zudem auf die von der Präsidialabteilung der Schulbehörde als ausreichend in den Raum gestellten 1-2 Wochen hin. Ich war so naiv, diesen Hinweis als Bestätigung zu interpretieren, dass man zumindest mit einer Vorlaufzeit von einigen Tagen rechnen könne. Aber nein, weit gefehlt! 

 

Bild von CDD20 auf Pixabay

Aus der Bearbeitung der Gegenvorstellung:

Meine Antwort auf Ihre ursprüngliche Anfrage war bereits mit der Rechtsabteilung abgestimmt. Die Rechtsabteilung hatte auch im Jahr 2015 die Präsidialabteilung hinsichtlich der Beantwortung der Elternkammeranfrage beraten. Seitdem gab es jedoch die Anweisung der Behörde an die Schulen, die Zeugniskonferenzen möglichst spät im Schuljahr zu terminieren, um die bewertbare Unterrichtszeit nicht unnötig zu verkürzen. Wenn also tatsächlich daran festgehalten werden würde, dass die Klassenelternvertreter 1 bis 2 Wochen vor der Zeugniskonferenz informiert werden, müssten die Lehrkräfte 2 Notenübersichten erstellen, um auch noch die Leistungen direkt vor der Zeugniskonferenz für die Noten zu berücksichtigen, was erheblich mehr Arbeit bedeuten würde. Aus diesem Grund hat die Rechtsabteilung ihre Haltung geändert und sieht den Beschluss der Schulkonferenz als nicht rechtswidrig an. 

Eine Beraterin des Schulinformationszentrums sagte einmal zu mir, wann immer man versuche, in der Hamburger Schulgesetzgebung festen Boden unter die Füße zu bekommen, würde man verzweifeln, weil das selten möglich sei. Auch für Behördenmitarbeiter:innen. Stattdessen: Wandern im Nebel. Hinter jedem Baum eine andere Auskunft. Die Mitwirkungsrechte von Eltern und Schüler:innen lösen sich in wohlgesetzten, inhaltsleeren Worten auf... 

 

Bild von CDD20 auf Pixabay

Einerseits ist die Begründung nachvollziehbar und durchaus sinnvoll. Andererseits fehlt die Balance. Wo bleibt der Mittelweg? Die Beachtung des Sinns der Anhörung? Ist die Rechtsabteilung nun der Ansicht, die Informationen müssen nicht mehr 'rechtzeitig' vorliegen? War der Beschluss der Schulkonferenz zuvor doch rechtswidrig? Um das zu beurteilen, sollen ja 'objektive Maßstäbe' angelegt werden - meine Nachfrage danach, was genau darunter zu verstehen sei, blieb von der Schulaufsicht unbeantwortet. Immer hübsch alles in der Schwebe lassen! Würde man solche Maßstäbe benennen, bekämen Eltern ja tatsächlich etwas an die Hand! Und das wollen wir doch nicht...

Es kommt aber noch besser:

Sollte jedoch im Einzelfall nicht hinreichend Gelegenheit zur Auswertung der Informationen vor der Beschlussfassung über die Zeugnisse gegeben werden, könnte dies moniert werden, die Zeugniskonferenz müsste neu terminiert werden und dürfte dann erst nach der Stellungnahme tagen.

Das ist ein ungemein praktikabler Vorschlag! Spielen wir das doch mal für die oben beschriebene Situation durch. Wie könnte das ablaufen?


Bild von CDD20 auf Pixabay

Ich erhalte die Notenspiegel um 16 Uhr. Lasse sofort alle anderen Aufgaben fallen und beginne hektisch, Daten aus Tabellen umzusortieren. Stelle fest, dass die Vorbereitungszeit nicht angemessen ist, und formuliere unter Hochdruck eine Beschwerde an die Schulaufsicht, da der Schulleiter ja hinter der Eintagesfrist steht und eine Anfrage bei ihm wenig Aussicht auf Erfolg hat.

Der Schulaufsichtsbeamte prüft das beim Morgenkaffee und antwortet umgehend, damit gegebenenfalls die um 14 Uhr stattfindende Zeugniskonferenz verschoben werden kann. Der Schulleiter reagiert sofort total verständnisvoll, schickt die Lehrkräfte nach Hause und setzt einen anderen Termin an. Und das Spiel beginnt von vorn...

Falls der Schulaufsichtsbeamte verhindert ist, findet die Zeugniskonferenz doch statt und muss dann - sofern die Beschwerde nach 6 Wochen Bearbeitungszeit Erfolg haben sollte - wiederholt werden? Auch in den Ferien? Ich habe als Beraterin zwar Freude an Fragen, aber bei diesen Aussichten bleiben sie mir im Halse stecken. Die Überlegungen zeigen, wie absurd die Antworten von Rechtsabteilung und Schulaufsicht sind. Ein IKS-Haken, würde Captain Yossarian aus Catch-22 sagen. Oder anders ausgedrückt: paradoxe Kommunikation.

 

Bild von CDD20 auf Pixabay

Wir gehen uns als Menschen, deren Bedürfnisse und Rechte es zu beachten gilt, im Nebel der distanzierten, desinteressierten Antworten verloren. Wenn die Rechtsabteilung zum Maß des Handelns wird, läuft etwas grundlegend in eine falsche Richtung. Ist die Mitwirkung von Eltern und Schüler:innen überhaupt noch gewünscht? Wo kommen all die Steine her, die man uns in den Weg legt...?

Statt eine gelingende Beteiligung sicherzustellen, wird lamentiert. Selbst drei Tage könnten ausreichend sein, wenn der Notenspiegel gut dokumentiert ist und Elternvertreter:innen und Klassensprecher:innen wissen, wie damit umzugehen ist. Diese drei Tage dürften keinen sehr großen Einfluss auf die Noten haben.

Hilfreich wären Überlegungen des verantwortlichen Schulaufsichtsbeamten, wie das auf Konsens ausgerichtete Gespräch an der Schule wieder in Gang gebracht werden kann. Man könnte gemeinsam überlegen, wie viel Zeit für Eltern und Schüler:innen wirklich notwendig ist, um ihre Beteiligungsrechte sinnvoll nutzen zu können und den Beschluss, der jede Zeugniskonferenz zum monierten Einzelfall macht, ändern. Denn um diese Rechte geht es in dem zugrunde liegenden Paragraphen, nicht um die Optimierung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften. 

 
Bild von CDD20 auf Pixabay

Für wahrscheinlich halte ich in meinem kleinen Gedankenspiel folgenden Ausgang - Frage an die Schulaufsicht (Radio Eriwan lässt grüßen):

Kann in unserem Einzelfall die zu kurze Frist moniert werden?
Im Prinzip ja.
Aber die Frist war nicht zu kurz, Sie melden sich leider zu spät.
Und die Zeugniskonferenz hat schon stattgefunden, das lässt sich rückwirkend nicht mehr ändern.
Und Sie hätten auch schon vorher darauf hinweisen müssen.
Ansonsten dürfen Sie gerne monieren.

Das nennt man gemeinhin Zwickmühle...

 
Bild von CDD20 auf Pixabay

Kommentare

Beliebte Beiträge: