Wie geht's den Kindern?
Was können wir aus der COPSY-Studie des UKE lernen?
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Lesezeit ca. 10 Minuten |
Als Eltern sitzen wir mittendrin in all den Belastungen, die Homeschooling, Homeoffice oder Existenzsorgen mit sich bringen. Und dann sind da noch unsere Kinder... wie geht es ihnen in dieser Zeit? Was brauchen sie von uns, von ihren Lehrer:innen? Am UKE wurde, wie auch bereits im ersten Lockdown, eine Befragung dazu unter Kindern und Jugendlichen durchgeführt; auch Eltern wurden um Rückmeldungen gebeten. Es lohnt sich, genauer hinzuhören:
Die Ergebnisse sind für diejenigen, die feinfühlig ihre Kinder und den Schulalltag begleiten, keine Überraschung. Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Ängste und depressive Verstimmungen nehmen ebenso zu wie psychosomatische Beschwerden. Das ist auch mein Eindruck am Gymnasium meiner Tochter, an dem ich als Referentin gerade den gesamten elften Jahrgang mit Workshops zur Selbststeuerung begleiten durfte. Das Thema 'Umgang mit Schulstress' wurde von etlichen Schüler:innen aufgegriffen. Das Benennen fiel ihnen leicht, doch wie nun mit den damit verbundenen negativen Gefühlen umgehen? Wie Unterstützung suchen? Das ist der Punkt, den es zu erkennen gilt, um dann im Gespräch mit den Kindern oder Jugendlichen auszuloten, welche eigenen Ressourcen sie einsetzen können oder welche sie gemeinsam mit der Begleitung von Eltern oder Lehrer:innen entwickeln können.
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Was nun angesichts der vielen, vielen Probleme? In die Ecke setzen und jammern? Wütend nach Sündenböcken suchen und gegen die Pandemie rebellieren? Das hilft sicher punktuell dabei, den eigenen Frust loszuwerden, damit man wieder andere Wege suchen kann. Ich bin mir sicher, dass viele von euch ein gutes Gespür für das haben, was so belastend ist. Auch die Kinder und Jugendlichen können sehr genau beschreiben, welche Momente oder Situationen Druck auslösen. Die Ressourcen sind unterschiedlich: Wer optimistischer gestimmt ist und oft Selbstwirksamkeit erlebt hat, kommt besser mit den aktuellen Herausforderungen klar. Doch das trifft nicht für alle zu, in etwa einem Fünftel der Familien stehen dem weitere Belastungsfaktoren im Wege. Kindern aus diesen Familien fällt es schwerer, sich seelisch in der Balance zu halten, da sie sich noch nicht ausreichend selbst strukturieren können und oft noch nicht gelernt haben, wie sie handeln können.
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Das, was im Großteil der Familien den Kindern hilft, fehlt ihnen. Dazu gehören ein guter Familienzusammenhalt, ein offenes, freundliches Familienklima, stabile Beziehungen und optimistische soziale Unterstützung. In welchem Maße können Lehrer:innen dies ausgleichen helfen? Was ist möglich?
"Kinder erfahren Stärke, wenn man ihnen zuhört und ihnen das Gefühl gibt, geliebt und gebraucht zu werden." Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, UKE
Eine wichtige Aussage der Studie ist, dass sich die Kinder und
Jugendlichen eben nicht an den veränderten Rahmen anpassen. Es fehlt
zuviel von dem, was sie für eine gesunde Entwicklung brauchen. Ihre
Lebensräume sind eingeschränkt, Rückhalt und Bestätigung durch
Freundschaften geht zurück und die Perspektivlosigkeit entmutigt auch
sie. Da sind wir Eltern und Lehrer:innen gefragt! Wie gelingt es uns gerade jetzt, Hand in Hand die Erziehungspartnerschaft so zu leben, dass wir gemeinsam den Druck, der auf den Kindern lastet, vermindern können?
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Die Bereitschaft zur Wahrnehmung der Kinder, ein Eingehen auf sie, ohne sofort zu bewerten oder abzuwehren (weil man mit der eigenen Verantwortung hadert), wäre so wichtig! Manchem gelingt dies leicht, doch andere verschließen sich leider. In einem Online-Elternabend, in dem ich die Stressbelastung etlicher Schüler:innen ansprach, ploppten im Chat sofort Einträge anderer Eltern auf: "Das sind doch nur individuelle Probleme!" - "Können wir mal zur Sache kommen?" Dabei waren wir schon bei der in meinen Augen wichtigsten Sache! Wie können wir lernen, im Gespräch Anliegen fair zu verhandeln statt die, die uns selber vermeintlich nichts angehen, abzuweisen? Wie geben wir als Gemeinschaft allen Rückhalt, indem die Menschen mit Ressourcen sich ungehindert einbringen dürfen, so dass die Belasteten mitgetragen werden?
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"Während der Pandemie haben wir es nicht geschafft, die Situation der Kinder zu stabilisieren oder zu verbessern, sie hat sich verschlechtert. D.h., dass auch die Schulen gebraucht werden, und zwar nicht nur für den inhaltlichen Lernerfolg und die Vermittlung von Lerninhalten, sondern als Ort der Wertschätzung und des Kontaktes, zum Schutz für Teilhabe und soziale Kontakte - und das eben auch ohne Anwesenheitspflicht." Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, UKE
Wie geht es euch? Mir fehlen der lockere, zufällige Austausch mit anderen Eltern oder die Gespräche mit manchem Lehrer, mancher Lehrerin, die sich im normalen Schulalltag doch erfreulich oft spontan ergeben können. Die aufgebauten Beziehungen leiden momentan unter der fehlenden Nähe, es kommt schneller zu Missverständnissen. Die Strukturen an Schulen bieten zudem oft keine Plattform für Eltern, auf der sie sich jenseits von offiziellen Videokonferenzen über die Klassenstufen hinweg vernetzen können. Wir brauchen einfach Zeit für offene Gespräche ohne Tagesordnung! Und das nicht nur mit den wenigen, mit denen man sowieso im Austausch steht, sondern mit all den Menschen, die für die unterschiedlichen Perspektiven stehen, die wir an der Schule (und im Leben!) zusammenführen müssen, damit es allen gut geht. Zu spüren, dass man gesehen und beachtet wird, gehört dazu - für Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrer:innen.
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Ich würde z.B. gerne einen digitalen Stammtisch ins Leben rufen - wenn die Elternvertretung keine Verteiler aufgebaut hat und die Schulleitung dafür nicht ansprechbar ist, was dann? Es wäre wirklich sinnvoll, sich über den Stellenwert der Elternmitwirkung und ihre sichtbare, konstruktive Einbindung noch einmal ein paar innovative Gedanken zu machen! Auch wir würden gerne im Rahmen Schule selbstwirksam handeln können...
"Schulen müssen mehr als zuvor ein Ort werden, wo Kinder Kontakt erfahren und Freude am Lernen erleben und sich so psychisch stabilisieren können. Wir haben vielleicht ein gutes Konzept zur Vermittlung der Lehrinhalte, aber noch kein flächendeckendes Konzept, um den Kontakt zu den Schüler:innen beizubehalten und dass sie sich motiviert fühlen. Das kann man besser gestalten und mehr Ressourcen darin investieren; denn nur wer psychisch stabil ist, kann gut lernen." Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, UKE
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Wir alle brauchen diesen inneren Kontakt und die gegenseitige Achtsamkeit und Fürsorge! Es sind so kleine Momente, so leichte Gesten, mit denen jeder von uns dazu beitragen kann. Zum Telefon greifen, statt lange Mails zu schreiben, die Freude über etwas Gelungenes teilen, aufmerksam sein und anderen mit einem Lächeln etwas von der eigenen Zeit, vom eigenen Optimismus schenken - Ermutigung gibt Kraft und breitet sich aus wie die Wellen um einen Stein, den man ins Wasser wirft. :-)
In diesem Sinne - verschenkt gerne persönliche Zuwendung und ermutigt die, die sie dringend brauchen, sie auch anzunehmen.
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